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Im dörflichen Einerlei war es eine willkommene Abwechslung wenn bei einem der ortsansässigen Vereine ein Jubiläum anstand und aus diesem Grund ein großes Fest geplant wurde. Lange vorher wurde davon gesprochen und die Erwachsenen nahmen es mit der Vorbereitung auch sehr wichtig. Mich hat als Kind fasziniert zu beobachten, mit welchem Fleiß und Ernst die Menschen sich an die Vorbereitungen machten. Und so trug die ganze Dorfgemeinschaft dazu bei das Fest zu etwas Besonderem zu machen.

Als erstes waren die Frauen gefragt, es galt die Festkleider zu bestellen. In vielen Haushalten hatte man damals noch eine Schneiderin die diese Kostbarkeiten aus Taft, Leinen oder gar schon aus Perlon und Dralon herstellten. Seit einiger Zeit gab es aber auch schon Konkurrenz auf dem Markt, die ersten Versandhäuser verschickten ihre Kataloge. Meine Mutter erwies sich einmal als sehr fortschrittlich und bestellte für sich ein schickes Jackenkleid und für mich einen Traum aus Perlon, mit Stufenrock und darunter einen schicken Petticoat. Was für ein Spaß als das Paket geöffnet wurde. Ich dachte damals, so muß es im Schlaraffenland gewesen sein. 

 

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Je näher das Fest kam, desto emsiger wurden die Menschen, denn es gab noch viel zu tun. Vor allem sollte der Festzug der durchs Dorf zog, einen würdigen Rahmen bekommen. Also wurden die Vorgärten besonders sorgfältig gejätet und die Straße lieber zweimal gekehrt. Aus dem Wald wurden viele junge Birkenbäumchen und Tannengrün geholt und an die einzelnen Haushalte verteilt. Beim Textilhaus Wallich in Wächtersbach wurden große Stofffahnen bestellt und beim Wöller in Schlierbach kleine Papierfähnchen. Das alles benötigte man um Haus und Gartenzaun und damit das ganze Anwesen zu schmücken. Die jungen Birken wurden an die Gartenpfosten gebunden und das Grün kam an den Gartenzaun. Dazwischen steckte man die kleinen Fähnchen und an die Hauswand kam, in einem dort extra angebrachten  Fahnenhalter, die große Fahne, in den Landesfarben von Hessen oder in der der neuen Bundesrepublik. Ich war immer mit Begeisterung dabei und empfand bei diesem ganzen Treiben ein Gefühl der Vorfreude die fast vergleichbar war mit dem vor Weihnachten. 

 

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Der Neuenschmidter Manolinenclub spielte alte wohlbekannte Weisen und der Gesangverein durfte natürlich nicht fehlen. Aus Schlierbach kam immer ein wunderschöner Wagen des dortigen Obst- und Gartenbauvereins und natürlich war auch immer ein Wagen der „Fabrik“ vertreten. Man hatte, ich glaube das war anlässlich des Rosenfestes in Schlierbach, extra eine fast 2m hohe Kaffeekanne gefertigt und die wurde bei diesen Gelegenheiten dann durchs Dorf gefahren. Geschmückt war dieser Wagen auch meist noch mit den herrlichsten Blumenvasen, geschmückt mit Blumen aus den heimischen Gärten. Die Kapelle die zum Fest aufspielte begleitete ebenfalls den Festzug und schmetterte  autstark die damaligen Schlager. Der erste Auftritt des Eidengesäßer Spielmannszuges kam schon einer kleinen Sensation gleich und wurde sehr bewundert. Dieser erste Auftritt hatte übrigends langjährige Folgen. Eine der Neuenschmidter Festdamen und ein junger Musikant fanden viel  Gefallen aneinander und heirateten. Ja, so ein Fest war eine gute Möglichkeit zarte Bande zu knüpfen, zumal alle bester Laune und dazu noch ausgesprochen schick gekleidet waren. Besonders schick waren die Festdamen gekleidet. Angetan mit meist knöchellangen duftigen Kleidern, in zarten Farben schritten sie anmutig in Zweierreihe durchs Dorf, gebührend  bewundert von den vielen Menschen an der Straße, in den Fenstern und an den Hoftürchen.

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Es wurde gewunken, gerufen und gelacht, alle waren bester Laune, denn danach ging man gemeinsam zum Feiern. Jung und Alt waren da beieinander und nutzten die Gelegenheit nach den Klängen einer Erika Combo oder der Kapelle Sunshine zu tanzen. Da lies sich der  Schorsch net lumpe und führte sein Kättche, ganz Kavalier der alten Schule, übers Parkett. Na ja, Parkett vielleicht nicht, eher stinknormale Dielen waren es, und hätte der Böttgers Adolf nicht vorher kräftig die Fläche gepudert, wäre wohl manche Drehung missglückt. 

 

Den Tanz eröffneten natürlich die Festdamen mit den Honorationen. So kam dann schon mal ein junges Mädchen in den Genuß mit dem Büdinger Fürsten oder dem Direktor Brandenstein ein Tänzchen zu wagen. Die waren nicht immer dabei, aber wenn die Fabrik ein Fest hatte, dann  war das Ehrensache, dann kam die ganze fürstliche Familie und die Familie Brandenstein und feierte mit. Ich habe das alles mit großen Augen betrachtet und mein größter Wunsch war damals auch einmal  eine so schöne Festdame zu sein.  Wenn das Fest dann seinen Lauf nahm, die Tanzfläche brechend voll war, dann machten wir Kinder uns nach draußen und setzten das Geld um das wir von Onkel und Tante, Opa und Oma zugesteckt bekommen hatten. Draußen wartete nämlich ein ganz seltenes Vergnügen. Ein Kettenkarussell und meist auch eine Schiffschaukel nahmen uns für kurze Zeit mit in eine andere Welt. Wenn es dann Zeit zum Heimgehen wurde kaufte die Mama mir noch einen Schokokuß und Magenbrot und dann ging es müde aber glücklich heim. ​​

Text: Sigrid Heil

© Privatbesetz

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Das große Rosenfest

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©Privatbesitz

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